
Teil 3
Die Absperrung wird geöffnet, es geht los!
So warten sie, die Sportler. Und irgendwann, die Uhr zeigt zumindest 07:10 Uhr, wird es wirklich ernst. Dann beginnt der Herr in Liftuniform tatsächlich am Pfosten der Absperrung zu hantieren. Gleichzeitig beruhigt er die ganz vorne stehenden Sportler, damit er die Kette samt Pfosten ohne Druck herausziehen und schnell mit dem Pfosten in der Hand zur Seite springen kann, ohne überrannt zu werden.
Jetzt beginnt eine Bewegung, die an eine Massenpanik in einem Stadion erinnert. Nur dass sie hier täglich passiert. Durch die Öffnung in der Absperrung, die ca. 2 m breit ist, wollen gleichzeitig zwischen 5 und 8 Sportler, jeweils links und rechts ein Paar Schi in der Hand, möglichst schnell zum Drehkreuz gelangen. Durch den Druck von der Seite sowie von hinten verkeilen sich Körper, Rucksäcke, Schi und Stöcke. Manch ein Sportler spürt einen feindlichen Gegenstand schmerzlich in seinem Körper. Der Druck von hinten nimmt zu, weil vorne der menschliche Pfropfen in der Öffnung steckt. Bis wieder ein paar Sportler ausgespuckt werden.
Das ist also der tägliche Startschuss. Der erste Sprint, jener zur ersten Gondel, ist eröffnet. Dort gilt es die eigenen Schi in die Halterungen einer Gondel zu bringen und sich anschließend nicht abdrängen zu lassen, um in dieselbe Gondel steigen zu können. Rücksicht auf andere Sportler wäre fehl am Platz. Hat der Athlet einen Platz in der Gondel erobert, ist dies als ein erster Erfolg zu verbuchen. Für ein paar Minuten sind Ruhe und Durchschnaufen möglich. Hat man es sogar mit einem Freund in die Gondel geschafft, werden die Eindrücke des soeben Erlebten geteilt und aufgearbeitet. Manchmal werden dabei auch Sportler identifiziert, die ab sofort in die Kategorie „gemeinsame Feinde“ gehören. Für den nächsten Morgen, oder vielleicht schon den nächsten Sprint.
Lange jedoch währt die Ruhe nicht, denn der erste Umsteigepunkt ist bald erreicht. Also alle raus aus der Gondel, Schi schneller aus der Halterung herausreißen als andere, und auf zum nächsten Sprint. Gut 100 Meter durch einen engen Gang. Überholen links und rechts möglich und empfohlen, denn wer überholt, kann selbst schwerer überholt werden.
Am Ende des Ganges entscheidet sich, wer es schafft, einen Platz in der Gondel der Standseilbahn zu erkämpfen. Ist man nicht unter den ersten 50 Personen, leuchtet das Licht am Drehkreuz rot, da die Kapazität der Gondel erreicht ist. Man weiß, dass man zu langsam war und muss eine Wartezeit von ca. 10 Minuten auf sich nehmen. Das kann, so man keinen guten Tag erwischt, auch mal fast 20 Minuten Wartezeit bedeuten, weil man zu weit hinten steht und sogar zwei Gondeln ungenutzt abfahren lassen muss.
Hat man es aber erfolgreich durch das Drehkreuz geschafft, steht man auf der Plattform und wartet bis die Gondel einfährt. Nun, warten alleine garantiert noch keinen Erfolg. Es geht darum zu überlegen, welche Ausgangsposition man hat, und abzuwägen, welche Positionen in der ankommenden Gondel damit noch zu erkämpfen sind. Dies ist deshalb so wichtig, weil man sich hier bereits auf den alles entscheidenden Kampf rüsten muss, denn dieser findet beim Sprint zur Gondel der Sektion 3 statt. Erst diese führt ganz nach oben auf das Kleinmatterhorn. Da die Kabinen der letzten Gondelbahn (Sektion 3) kleiner sind als jene der Sektion 2, ist klar: Wer in Sektion 2 eine schlechte Startposition hat, der hat eindeutig deutlich schlechtere Karten für Sektion 3.